Masken-Millionen und ministerielle Mauscheleien – Wie der Sudhof-Bericht das Gesundheitsministerium entblößt

Ein staatspolitischer Offenbarungseid in Schwarz und Weiß: Der sogenannte Sudhof-Bericht zur Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie offenbart in seiner ungeschwärzten Fassung nicht nur beispiellose Intransparenz auf ministerialer Ebene, sondern dokumentiert mit gerichtsfestem Nachdruck, wie demokratisches Kontrollversagen durch politische Interessenkonflikte institutionalisiert wurde. Während sich Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn weiterhin in Schutzbehauptungen flüchtet, werden Vorwürfe gegen ihn durch die jüngst öffentlich gewordenen Passagen des Berichts belastbar und justiziabel.

Ein Untersuchungsausschuss ist aus verfassungsrechtlicher Sicht überfällig.

Transparenz unter Verschluss: Die Schwärzung als politisches Mittel

Die Seiten 45 bis 48 eines zunächst nur teilweise einsehbaren Berichts von Sonderermittlerin Margaretha Sudhof – einem Dokument von substanzieller staatsbürgerlicher Relevanz – wurden im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vollständig geschwärzt. Damit wurde nicht etwa die nationale Sicherheit gewahrt, sondern der Eindruck erweckt, man wolle einen Exekutivskandal auf Biegen und Brechen politisch kontrollierbar halten. Wer etwas zu verbergen hat, hat in einer offenen Zivilgesellschaft etwas falsch gemacht. Die Schwärzungen verhindern keine politische Debatte – sie provozieren sie.

Inhalt dieser Seiten war ein Vergleich mit der Schweizer Maskenfirma Emix – ein Vorgang, von dem nicht nur das Parlament, sondern auch die Öffentlichkeit bislang nahezu vollständig ausgeschlossen blieb. Es geht um Verträge in dreistelliger Millionenhöhe. Und um ein Ministerium, das offenbar willentlich auf Qualitätsstandards und Fristen verzichtete – sofern die Lieferant:innen über gewisse parteipolitische Kontakte verfügten.

Besondere Behandlung für Emix: Kapital statt Kompetenz

Nach dem plötzlichen weltweiten Bedarf an Schutzmasken zu Beginn der Pandemie nutzte die Schweizer Firma Emix – geleitet von zwei jungen Unternehmern – die Lage für aggressive Geschäftspraktiken. Die maskierten Profiteure bezogen Ware aus China, versetzten sie an deutsche Behörden und verlangten Preise jenseits jeder marktüblichen Kalkulation: Im Schnitt 5,58 Euro pro FFP2-Maske, in Einzelfällen über 7 Euro.

Kuriosesten Zügen bekommt das Ganze jedoch durch den Umstand, dass 48 % der gelieferten Masken vom TÜV Nord als mangelhaft bewertet wurden, das Gesundheitsministerium jedoch einen Großteil dieser Lieferung dennoch bezahlte. Die „Klarstellungsvereinbarung“ vom 18. Mai 2020, von einem Abteilungsleiter im BMG unterzeichnet, öffnete Emix sogar die Option auf mehrfache Nachbesserungen bis Ende Dezember 2020 – ein Wohlwollen, das anderen Anbieter:innen der Branche konsequent verwehrt blieb. Wer profitierte hier – und warum?

Persönliche Verantwortung? Spahn schweigt – oder schwärzt

Erstaunlich ist dabei weniger das Versagen selbst, sondern die systematische Verschleierung desselben. Fußnoten, Mails und Gesprächsprotokolle, die belegen, dass Ex-Minister Jens Spahn in diverse Entscheidungen aktiv eingebunden war – wurden gezielt geschwärzt. Ein bewusster Ausschluss verfassungsrechtlich legitimierter Kontrolle durch das Parlament. Wer Schwärzungen anordnet, um Rechenschaftspflichten zu umgehen, delegitimiert nicht nur den eigenen politischen Anspruch, sondern stellt die Garantie demokratischer Transparenz infrage.

Spahns Erklärung, Vergleichsgespräche nicht persönlich geführt zu haben, kann in Anbetracht der ungeschwärzten Auszüge aus dem Sudhof-Bericht – auf denen sein Name in offiziellen Vermerken auftaucht – bestenfalls als Realitätsverweigerung bezeichnet werden.

Freundschaftliche Millionen: Der Fall Niels Korte

Noch dreister wird es im Fall eines CDU-Parteifreundes Spahns: Niels Korte, vormals als Bundestagskandidat für die Hauptstadt vorgesehen und Inhaber der Firma Areal Invest, erhielt aus dem BMG einen „Abgeltungsbetrag“ in Höhe von sage und schreibe 17.999.000 Euro – ohne dass sich dafür im Bericht eine nachvollziehbare vertragliche Gegenleistung belegen ließe.

Ein Vertrag vom 24. April 2020 über 20 Millionen Masken für 107 Millionen Euro – mit Lieferung bis März 2021 – scheint außer der bewussten Umgehung marktgängiger Regularien keinen weiteren Zweck gehabt zu haben. Auch dieser Vorgang wurde initial geschwärzt. Warum die Ministerin Nina Warken (CDU) persönlich wesentliche Abschnitte des Berichts vernebeln ließ, bleibt offen – mutmaßlich jedoch nicht ohne Innenwirkung in die Parteihierarchie.

Kabinett der Selbstbedienung statt Rechtsstaatlichkeit

Was hier geschieht – geschah – ist keine bloße moralische Verfehlung. Es ist eine strukturelle Dekonstruktion rechtsstaatlicher Ordnung an der Schwelle zur Korruption. Bereicherung mit Steuergeldern, gedeckt durch ministerielle Netzwerke und parteipolitisches Kalkül. Und das in einem Bereich elementarer staatlicher Fürsorge: dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung.

Die Enthüllungen zeigen, dass Marktteilnehmer mit Nähe zur Regierung gegenüber anderen systematisch bevorzugt wurden, Verfahrensstandards ausgesetzt und demokratische Kontrollmechanismen durch Schwärzungen amputiert wurden. Der politische Unwille zur vollständigen Offenlegung macht sich mitschuldig.

Nicht links, nicht rechts: Nur ein demokratisches Minimum

Forderungen nach vollständiger Aufklärung und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sind kein Affront gegen konservative Politik – sondern die letzte Bastion einer Werterationalität, die sich der Staatsverantwortung ernsthaft verpflichtet fühlt. Grüne und Linke fordern zu Recht, was der demokratische Auftrag verlangt: Aufklärung statt Ausflüchte. Verantwortung statt Vertuschung.

Wer jedoch meint, aus parteipolitischen Gründen dieses Anliegen mit der AfD teilen zu müssen, diskreditiert sich gleich mit. Der Antifaschismus muss auch im Parlament handlungsleitend bleiben. Ein Untersuchungsausschuss darf nicht in falsche Hände fallen.

Der Öffentlichkeit geschuldet: Lückenlose Aufklärung

Wenn Millionen an Steuergeldern versickern, weil politische Protektionisten ihre Netzwerke bedienen, wenn Lieferkriterien außer Kraft gesetzt und Verträge ohne erkennbaren Nutzen geschlossen werden, wenn Minister:innen sich hinter Schweigepflichten oder Schwärzungen verschanzen – ist der Rechtsstaat zur Offenlegung verpflichtet.

Die Akten sind nicht Eigentum einer Partei. Sie sind Besitz der Öffentlichkeit.

WIR fordern:

☑ Die Einsetzung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses.
☑ Lückenlose Veröffentlichung aller relevanten Verträge und Dokumente.
☑ Juristische Prüfung aller Zahlungsströme an Emix und Areal Invest.
☑ Konsequente politische Verantwortung – unabhängig von Parteibüchern.
☑ Eine Stärkung der parlamentarischen Kontrollrechte – Schwärzungen dürfen nicht zur Willkür entarten.

Von der Pandemie zur Plünderung – und zurück zur Demokratie.

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