BSW ordnet sich neu: Wagenknecht räumt den Parteivorsitz – De Masi und Mohamed Ali übernehmen

Stand: 10.11.2025

Kurzfassung

  • Fakt ist: Sahra Wagenknecht tritt als Bundesvorsitzende des BSW zurück. Die Doppelspitze übernimmt Amira Mohamed Ali gemeinsam mit dem Europaabgeordneten Fabio De Masi.
  • Wagenknecht bleibt mächtig: Sie baut und leitet eine Grundwertekommission, behält Sitz und Stimme im Vorstand und will das programmatische Profil schärfen.
  • Das Kürzel BSW bleibt, die Langform soll auf dem Parteitag Magdeburg (6.–7. Dezember) neu definiert werden.
  • Hintergrund: schwächere Umfragen (3–4 Prozent), verpasster Bundestagseinzug, interne Konflikte in mehreren Landesverbänden.
  • Politische Schwerpunkte bleiben: soziale Gerechtigkeit, Vermögensbesteuerung, niedrigere Rüstungsausgaben, Skepsis gegenüber weiteren Ukraine-Hilfen – und eine schärfere Migrationslinie. Unsere Einordnung: Integration schlägt Symbolpolitik.

Was passiert ist
Die bisherige Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht hat in Berlin angekündigt, den Parteivorsitz niederzulegen. Künftig führen die bisherige Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali und der frühere Bundestagsabgeordnete und heutige Europaabgeordnete Fabio De Masi die Partei. De Masi sprach von einem Schritt „mit großer Überzeugung“ – verbunden mit der Diagnose, das BSW werde „weiter gebraucht“. Das deckt sich mit den strategischen Überlegungen der Partei: personelle Entlastung an der Spitze, inhaltliche Zuspitzung durch eine zentrale Denkstelle.

Wagenknechts neue Rolle: Inhalte, nicht Tagesgeschäft
Anstatt des Tagesgeschäfts will Wagenknecht fortan die Grundwertekommission aufbauen und leiten. Das ist im Parteienalltag die Stelle, an der programmatische Linien und rote Linien verlässlich formuliert werden. Politisch bedeutet das: weniger Mikrofon, mehr Manuskript – aber weiterhin Einfluss mit Sitz und Stimme im Vorstand. Klar ist ebenfalls: Im Falle einer erfolgreichen Neuauszählung der Bundestagswahl, die das BSW über die Fünf-Prozent-Hürde heben würde, stünde Wagenknecht bereit, die Fraktion im Bundestag zu führen. Juristisch ist das unproblematisch; politisch wäre es ein Signal maximaler Geschlossenheit.

Namensfrage: Kürzel bleibt, Bedeutung wackelt
Das Kürzel BSW soll bleiben, aber nicht länger für „Bündnis Sahra Wagenknecht“ stehen. Zwei Vorschläge liegen öffentlich auf dem Tisch:

  • „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ (Vorschlag der Parteiführung)
  • „Bürger schaffen Wandel – Vernunft und Gerechtigkeit“ (Vorschlag aus Rheinland-Pfalz)
    Die Entscheidung fällt in Magdeburg. Formell handelt es sich um eine satzungsrelevante Weichenstellung mit politischer Signalwirkung: weg von der Personalisierung, hin zu einer inhaltlichen Dachmarke. Wer Parteien für Personalvehikel hält, darf hier umlernen.

Warum jetzt? Die Lage hinter den Kulissen

  • Umfragen: bundesweit 3–4 Prozent, nach starken Ergebnissen bei der Europawahl und in ostdeutschen Landtagen 2024 zuletzt schwache Werte. Der Einzug in den Bundestag misslang knapp. Das BSW kämpft juristisch um eine Neuauszählung – Ausgang offen.
  • interne Konflikte: In Brandenburg verschärfte Uneinigkeit über zwei Medienstaatsverträge die Lage einer Landeskoalition; in Sachsen-Anhalt gibt es massiven Streit im Landesvorstand.
  • strategische Frage: Mitregieren oder auf Distanz bleiben? In Thüringen wird die Regierungsbeteiligung parteiintern kontrovers diskutiert. Kurz: Regierungsfähigkeit will erworben, nicht behauptet werden.

Programmatik: Soziale Kante ja – Rechtsruck nein
Das BSW hält an den bekannten Schwerpunkten fest:

  • soziale Gerechtigkeit: höhere Renten, Entlastung unten, stärkere Besteuerung großer Vermögen.
  • Sicherheits- und Außenpolitik: Skepsis gegenüber steigenden Rüstungsetats und weiteren Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine; eine Position, die im Plenum Applaus und Widerspruch garantiert.
  • Migration: Die Partei wirbt für eine striktere Linie. Einordnung: Wer Probleme lösen will, investiert in Integration, Sprachförderung, Bildung, Arbeitsmarktzugang und kommunale Infrastruktur. Abschiebungen sind politisches Theater mit hoher Folgekostenquote und geringer Steuerungswirkung. Empirisch spricht viel dafür, dass Kommunen mit früher Integration bessere Sicherheits- und Beschäftigungswerte erreichen als solche mit Blockadepolitik. Wer hier nach AfD-Handbuch schärfer, härter, lauter fordert, landet zuverlässig bei Symbolik statt bei Wirksamkeit.

Was bedeutet der Wechsel?

  • Entpersonalisierung: Eine Partei, die ihren Namen entpersonalisiert, professionalisiert ihre Marke. Das verringert Reibung, erhöht aber die Verantwortung der Programmatik. Kurz: weniger Charisma-Rally, mehr konsistentes Angebot.
  • Machtarchitektur: Mit Mohamed Ali und De Masi an der Spitze und Wagenknecht als programmatischem Schwergewicht entsteht ein Dreiklang, der intern Checks and Balances schafft – sofern die Kommission nicht zum Neben-Vorstand wird.
  • Wahlkampf-Fitness: Wer unter fünf Prozent liegt, braucht Klarheit, Tempo und Konfliktfähigkeit – allerdings ohne den toxischen Populismus, den die AfD industriell herstellt. Demokratische Parteien lösen Probleme; sie bewirtschaften sie nicht.

Länderperspektive: Wo das BSW liefern muss

  • Koalitionsfähigkeit: In den Ländern entscheidet sich, ob das BSW mehr sein will als Oppositionshandwerk. Wer regieren will, unterschreibt Staatsverträge, statt sie permanent zu zerreden – oder benennt bessere Alternativen.
  • Ostdeutschland: Zielmarke bleibt: in allen Landtagen vertreten sein. Das setzt verlässliche Strukturen und weniger Personalkrisen voraus.

Kommunikation und Tonlage
Der öffentliche Eindruck „Profil unscharf, interne Störungen laut“ frisst Vertrauen. Der Gegenentwurf ist banal: klare Linien, belastbare Zahlen, verlässliche Gesichter. Medienpolemik mit Kriegsvergleichen ist entbehrlich; seriöse Politik steht auf Fakten, nicht auf Schaumkronen. Wer die AfD kopieren will, verliert – und zwar an das Original.

Fazit
Dieser Führungswechsel ist kein Rückzug, sondern eine Reorganisation: Wagenknecht wechselt vom Chefsessel an den Zeichentisch, während Mohamed Ali und De Masi die politische Betriebsführung übernehmen. Gelingt die Schärfung des Profils und die Befriedung der Landesverbände, hat das BSW wieder Luft nach oben. Misslingt sie, bleibt es beim Status einer laut wahrnehmbaren, aber bundespolitisch unterkritischen Größe. Der Ball liegt – im besten demokratischen Sinne – bei den Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern.

FAQ

  • Wann fällt die Entscheidung zum neuen Parteinamen?
    Auf dem Parteitag in Magdeburg am 6. und 7. Dezember. Dort entscheidet die Partei über die neue Langform; das Kürzel BSW soll bleiben.
  • Kommt das BSW doch noch in den Bundestag?
    Das hängt von der gerichtlichen Bewertung der beantragten Neuauszählung ab. Politisch ist das möglich, juristisch offen – und beides sollte man nicht verwechseln.

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