Kurze Durchsage zur Lage der Nation: Mir wurde da ein interessantes Dokument zugespielt. Stand: 28. November 2025. Ja, richtig gelesen. Wir schauen hier in die Zukunft, beziehungsweise in die Schubladen, die schon längst gezimmert sind. Es handelt sich um den Entwurf eines Begleittexts im Rahmen der Verabschiedung des Rentenpakets.
Wer dachte, die Politik hätte Lösungen parat, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Stattdessen wird das gemacht, was man in Berlin immer macht, wenn man nicht weiterweiß: Man gründet einen Arbeitskreis. Hier euphemistisch „Rentenkommission“ genannt.
Die Nebelkerzen-Taktik
Der Deutsche Bundestag soll feststellen, dass der Sozialstaat eine tolle Sache ist. Applaus. Konkret geht es um ein Paket aus „Haltelinie“, „Mütterrente“, „Aktivrente“ und – man höre und staune – der „Stärkung der Betriebsrente“. Klingt nett, ist aber im Kleingedruckten der übliche bürokratische Verschiebebahnhof.
Der eigentliche Witz ist der Zeitplan: Die Kommission soll im Dezember 2025 eingesetzt werden und bis zum zweiten Quartal 2026 Vorschläge liefern. Man kauft sich also Zeit. Viel Zeit.
Der Auftrag: Die Eierlegende Wollmilchsau
Man muss sich diesen Arbeitsauftrag auf der Zunge zergehen lassen. Die Kommission soll das „Gesamtversorgungsniveau“ über alle drei Säulen analysieren. Dabei geht es um nichts Geringeres als die Quadratur des Kreises:
- Dauerhafte Finanzierung sichern.
- Beitragssätze für zehn Jahre stabil halten.
- Gleichzeitig das Rentenniveau stabilisieren.
Und jetzt kommt der Part, wo es weh tut: Es wird explizit über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit (lies: Renteneintrittsalter hoch) und eine „neue Austarierung der Zu- und Abschläge“ nachgedacht. Übersetzt: Ihr werdet länger arbeiten, und wenn ihr früher geht, wird es teurer.
Interessant auch der Punkt zur Rentenanpassung: Man prüft die Kopplung an die Inflation statt an die Lohnentwicklung. In Zeiten hoher Inflation mag das klingen wie ein Gnadengesuch, langfristig ist es meist ein Instrument zur Dämpfung der Ausgaben.
Casino-Kapitalismus für die Altersvorsorge
Besonders perfide wird es bei der privaten Altersvorsorge (3. Säule). Die Koalition plant ein „Standardprodukt“ mit geringen Kosten, aber – und das ist der entscheidende juristische Haken – „ohne zwingende Beitragsgarantie“. Man will die „Vorteile des Kapitalmarktes“ nutzen. Heißt im Klartext: Das Risiko wird vom Versicherer auf den Versicherten verlagert. Wenn die Börse crasht, ist halt die Rente weg. Pech gehabt.
Um das den jungen Leuten schmackhaft zu machen, will der Bund ein Aktienpaket im Wert von 10 Milliarden Euro locker machen, dessen Dividenden den Aufbau der privaten Vorsorge der jungen Generation stützen sollen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, der vermutlich primär als Subvention für die Finanzindustrie enden wird.
Politische Arithmetik statt Wissenschaft
Wer sitzt in dieser Kommission? 13 Leute.
- 2 Vorsitzende (BMAS/BKAmt).
- 3 Abgeordnete (CDU/CSU/SPD).
- 8 Wissenschaftler.
Aber Vorsicht: Die Wissenschaftler werden nicht nach Kompetenz ausgesucht, sondern nach Parteibuch-Proporz. 4 darf die CDU/CSU vorschlagen, 4 die SPD. Das Ergebnis steht also schon fest: Ein politischer Formelkompromiss, der als „wissenschaftliche Erkenntnis“ verkauft wird.
Realitätscheck: Demografie und Migration
Das Papier spricht verschämt von der „Sicherung der Beitragsbasis“ und der „Einbeziehung weiterer Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung“. Hier zeigt sich die ganze kognitive Dissonanz der aktuellen Debatte. Während Populisten am rechten Rand (ihr wisst, wen ich meine) von Remigration fantasieren und Grenzen dichtmachen wollen, zeigt dieses Papier implizit die mathematische Realität: Ohne massive Zuwanderung und Integration in den Arbeitsmarkt ist dieses System tot.
Abschiebungen zahlen keine Rentenbeiträge. Wer glaubt, man könne den demografischen Wandel durch völkische Ideologie aufhalten, der kann auch versuchen, die Erdrotation durch böses Anstarren zu stoppen. Wir brauchen mehr Beitragszahler, nicht weniger. Alles andere ist ökonomischer Selbstmord mit Ansage. Aber das traut sich im „Begleittext“ natürlich niemand so deutlich reinzuschreiben.
Fazit: Wir sehen hier den Entwurf für die Verwaltung des Mangels. Professionell formuliert, juristisch abgesichert, inhaltlich eine Bankrotterklärung an die Generationengerechtigkeit.
Next Step: Zurücklehnen und Popcorn holen, wenn im Dezember 2025 verkündet wird, dass die Rente sicher sei – solange man Aktien kauft und bis 70 arbeitet.
