Update: SOOFI oder wie wir mit Taschengeld und Bürokratie die KI-Welt retten (wollen)

Ihr erinnert euch an meinen Rant vom 19.11.? Ich habe mir jetzt mal die originale Pressemitteilung [PDF] zu diesem „SOOFI“-Projekt reingezogen. Setzt euch lieber hin. Es ist schlimmer, als wir dachten. Es ist deutscher, als wir befürchteten.

Das Projekt heißt ausgeschrieben „Sovereign Open Source Foundation Models“. Klingt erst mal nach Freiheit, Abenteuer und glühenden Grafikkarten. Das Ziel? Nichts Geringeres als die „europäische KI-Souveränität“. Wir wollen endlich souveräne Alternativen zu den Tech-Giganten aus den USA und China.

Der Plan: Ein Konsortium aus sechs Forschungseinrichtungen (Fraunhofer IAIS, Fraunhofer IIS, DFKI, diverse Unis) und zwei Startups (Merantix, ellamind) soll sich unter der Führung des KI Bundesverbands zusammenraufen. Ja, genau. Ein Komitee baut jetzt den GPT-Killer. Was soll da schon schiefgehen?

Der 20-Millionen-Witz

Kommen wir zum Elefanten im Raum, über den sich jeder kaputtlacht, der schon mal eine GPU-Rechnung gesehen hat: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWK) fördert den Spaß mit 20 Millionen Euro.

Lest das nochmal. Zwanzig. Millionen.

Zum Vergleich: OpenAI verbrennt das wahrscheinlich an einem Vormittag für Catering und Klimaanlagen. Und damit wollen wir gegen Google, Meta und Anthropic anstinken? Die Pressemitteilung warnt selbst davor, dass wir „zu reinen Anwendern von Kerntechnologien“ werden und in eine „gefährliche Abhängigkeit“ geraten. Die Lösung gegen diese billionenschwere Gefahr ist also ein Budget, für das man im Silicon Valley gerade mal eine Seed-Runde für eine Toaster-App bekommt.

Tech-Museum 2026

Aber es wird noch besser. Das Projekt läuft bis Ende Juli 2026. Das Ziel ist ein 100 Milliarden Parameter großes Sprachmodell.

Versteht mich nicht falsch: 100B ist nett. Für 2023. Wir haben jetzt Ende 2025. Bis das Ding Mitte 2026 fertig ist (falls ein akademisches Konsortium jemals pünktlich liefert), lachen uns die Amis mit GPT-6 und Claude 5 aus. Wir bauen hier mit Steuergeldern den Trabant der KI-Modelle: Solide, reparierbar, aber 20 Jahre zu spät dran.

In der PM jammern sie, dass aktuell ein „europäisches LLM von ausreichender Größe fehlt“. Ja ach was! Vielleicht weil wir hier erst mal Arbeitskreise bilden, während andere trainieren?

Buzzword-Bingo für Fortgeschrittene

Natürlich reicht ein einfaches LLM nicht. Nein, wir brauchen „Reasoning-Modelle“ (LRMs). Das ist der heiße Scheiß, weil die Modelle dann „strukturiert denken“ können. Das ist für die deutsche Industrie „von großer Bedeutung“, weil man damit „komplexe regulatorische Zusammenhänge analysieren“ kann.

Da haben wir es! Das Modell wird nicht gebaut, um coole Dinge zu tun, sondern um Compliance zu machen! Das Modell soll nämlich explizit den Anforderungen des EU AI Acts entsprechen. Das ist das eigentliche USP: Es ist vielleicht nicht das schlauste Modell, aber es kann dir fehlerfrei erklären, warum deine Anfrage gegen Paragraph 17 Absatz 3 der EU-Verordnung verstößt. „European Values“ inside.

Die Infrastruktur des Grauens

Und wo läuft das Ganze? Auf AWS? Azure? Nein, wir sind ja souverän. Das Modell wird in der „Industrial AI Cloud“ der Deutschen Telekom trainiert. T-Systems stellt die „souveräne KI-Recheninfrastruktur“.

Ich sehe es schon vor mir: Das Training muss pausiert werden, weil der Techniker erst zwischen 8 und 14 Uhr kommen kann. Aber hey, es ist Teil von „8ra“ (gesprochen wohl „Aitra“? Keine Ahnung, klingt wie ein Bösewicht aus einem Bond-Film), einer Initiative von 12 EU-Staaten.

Fazit

SOOFI ist der klassische deutsche Versuch, ein Software-Problem mit Geld (aber zu wenig) und Gremien (zu viele) zu bewerfen. Die Forscher sind sicher fähige Leute. Dr. Flores Herr vom Fraunhofer freut sich, „Talente in Deutschland zu halten“. Das ist löblich. Aber der Anspruch, mit diesem Setup „souveräne Alternativen“ zu US-Tech zu schaffen, ist Realitätsverweigerung.

Wir bauen ein Open-Source-Modell, das:

  1. Zu klein ist, um mit der Spitze mitzuhalten.
  2. Zu spät kommt.
  3. Primär darauf optimiert ist, „regulatorische Zusammenhänge“ zu verstehen.

Das ist keine „Aufholjagd“, das ist betreutes Wohnen für die deutsche KI-Landschaft.

Lacher des Tages: Das Ganze soll als Ausgangspunkt für „ressourceneffiziente Derivate“ dienen. Weil wir ja Strom sparen müssen. Währenddessen baut Microsoft das nächste Atomkraftwerk für sein Rechenzentrum.

Gute Nacht, Digitalstandort Deutschland.

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